Wettbewerb, Sanierung und Erweiterung des GHG Wismar

Das Gerhart-Hauptmann-Gymnasium am Rande des historischen und als UNESCO Welterbe geschützten Stadtgrundrisses Wismar wurde Anfang des 20. Jahrhunderts auf einer der historischen Festungsanlagen der Stadt errichtet. Die sogenannte Hannibal-Bastion wurde Anfang des 18. Jahrhunderts nach dem Sieg der Dänen geschliffen, um Wismar als Stadt zu schwächen. Die Anlage ist topografisch auch heute noch ablesbar, wird aber im Stadtbild von Wismar nie wirklich sichtbar. Mit der geplanten Erweiterung des Schulgeländes besteht die Möglichkeit die historische Anlage an dieser Stelle wieder sichtbar und für die Bevölkerung erlebbar zu machen. 

2021 nahmen wir am Wettbewerb zur Sanierung und Erweiterung des Gerhard-Hauptmann-Gymnasiums teil. Leider wurde unser Entwurf nicht umgesetzt. Wir nehmen es sportlich und wünschen der Schule alles Gute bei der Umsetzung des Siegerentwurfs. Trotz dessen möchten wir in diesem Beitrag unsere Ideen genauer vorstellen.

 

Unsere Vorstellungen des Raumkonzeptes

Die Profilrichtung des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums ist es, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im mathematisch-naturwissenschaftlichen-technischen Bereich zu erhöhen. Die Schule bemüht sich auch außerschulisch den MINT-Gedanken fortzuführen, zum Beispiel in der jährlich stattfindenden „Nacht der Wissenschaften“. Räumlich ist der naturwissenschaftliche Bereich im denkmalgeschützten Altbau sowohl flächenmäßig als auch technisch gesehen schwer auf die sich immer stärker werdende Technisierung und Digitalisierung anzupassen. Wir haben die Hinführung zu einem freien und selbstbestimmten Lernen als fordernd angesehen und damit ein zwangsläufiges Umdenken an die althergebrachten Klassenräume als Kriterium genutzt.

Das Raumkonzept sieht daher vor, den Neubau als Möglichkeit zu betrachten, all diese Aspekte vollumfänglich zu erfüllen. Alle Fachräume, die brandschutztechnische oder lärmschutztechnische Relevanz haben, wurden hier berücksichtigt und die Schule erhält so die Möglichkeit, ihr Profil weiter zu schärfen. Diese Abweichung vom zunächst angestrebten Raumprogramm ermöglicht es zusätzlich, die alte Struktur des denkmalgeschützten Altbaus wiederherzustellen und den Charakter aus denkmalpflegerischer Sicht zu erhalten.

Das Erdgeschoss wird zur Basis im Altbau. Hier befindet sich die zentrale Verwaltung sowie verschieden ausgestaltete Lehrerzimmer. Sie sollen ebenfalls als Konferenzbereich abgetrennt werden können oder als Seminarraum für die Referendarinnen und Referendare bespielt werden können. 

Die Sockelgeschossebene dient als zentrale barrierefreie Verteilerebene zwischen den beiden Baukörpern. An der freien Giebelseite wird ein neues notwendiges Treppenhaus eingefügt, das durch eine klare Formensprache und Farbgebung stets als neues Element ablesbar bleibt. Rund um das Treppenhaus werden Lernbereiche angegliedert, wo sowohl Einzelarbeiten als auch Gruppenarbeiten stattfinden kann. 

Die Obergeschosse werden fachgruppenspezifisch gegliedert. Ein kleiner Bibliotheksbereich und Vorbereitungsräume für die Lehrer befinden sich in der Gebäudeecke. 

 


Unsere Idee der Gestaltung im Innenraum

Sowohl in den Freiflächen als auch im Baukörper sollten die Ziegel als lokales und nachhaltiges Baumaterial eine prägende Rolle spielen. 

Der Wechsel zwischen offen und geschlossen, massiv und durchsichtig, kalt und warm, innen und außen wäre durch die gewählten Materialien unterstrichen. Die massive und solide Tragstruktur aus Kalksandsteinmauerwerk und Stahlbeton, die teilweise als Sichtbetonscheiben im Inneren sichtbar bleibt, wird durch die vorgehängte Fassade aus perforiertem Ziegel aufgebrochen. Die gewählte Ziegelfärbung lehnt sich an den denkmalgeschützten Altbau an ohne zu konkurrieren. Im direkten Anschluß wird als Material durchgefärbter Beton eingesetzt. Sämtliche Fassaden sind, der regionalen Identität folgend, in Backsteinmauerwerk ausgeführt. In Analogie der zusammengefassten Fassaden der beiden Obergeschosse des Denkmals sind im Neubau die beiden oberen Geschosse mit einer zweigeschossigen durchgehenden, senkrechten Fassade versehen. 

Großzügige, bandartige Verglasungen durchbrechen den Monolith und geben den Blick in die innere Welt der Schule preis.

Die großen Öffnungen werden als Glasfassade ausgeführt, die einen großzügigen Bezug nach außen zulassen, sodass die Umgebung mit Licht und Natur – auch jahreszeitlich bedingt – in den verschiedenen Gebäudeteilen allgegenwärtig ist. Das Gebäude kann sich auf Grund seiner Größe in alle vier Himmelsrichtungen orientieren und bietet je nach Fachbereich eine Ausblick über die Kleingärten hinein ins Grün oder auf den für Wismar typischen Hafen mit seinen Speichergebäuden. 

Durch die zahlreichen Gebäudeeinschnitte sowie Vor- und Rücksprünge wird eine passiver Sonnen- und Regenschutz gewährleistet, der ganz ohne technische Mittel und somit ohne Wartungsaufwand funktioniert. Die Räume im Neubau wie auch im Bestandsbau erhalten zusätzlich Klimaglasfenster um den sommerlichen Wärmeschutz und den Schallschutz zur Dahlmannstraße als passive, wartungsfreie Maßnahmen zu gewährleisten.

 


Wie kann man eine Außenanlage ansprechend gestalten

Die Organisation der Freiflächen wird maßgeblich von der historischen Topographie der Festungsanlagen beeinflusst. Geböschte Ziegelmauern, die sich am Profil der Festungsanlagen orientieren, begrenzen drei Ebenen und knüpfen an die bestehenden Höhen der Umgebung an. 

In den Freianlagen werden für die inklusiv-lehrende Schule differenzierte Angebote geschaffen, die für ganz unterschiedliche Bedürfnisse geeignet sind: große Räume zum Toben, mittlere Räume zum Lernen in Gruppen bis zu 25 Schülern, und kleine Rückzugsorte (Garteninseln oder Lichtungen) für Teams oder Einzelpersonen. 

Räder, Lastenräder und Mitarbeiter-Pkws werden geparkt, und alle Gebäudeteile erschlossen. Der neue barrierefreie Haupteingang ist direkt von der Dahlmannstrasse zu sehen und die Schüler könnten ganz natürlich auf dem Weg zum Eingang ihre Fahrräder abstellen. 

Die Hofebene beinhaltete multifunktionale befestigte Flächen zum Treffen und Versammeln für viele, und ist in differenzierte Hofbereiche gegliedert: die 7.-9.Klassenstufe finden Bewegungsangebote im Kletterseilwald und Rückzugsinseln südlich der Sporthalle. Die 10.-12. Klassenstufe hätte einen Nutzen vor allem im neuen geschützten Innenhof zwischen Alt- und Neubau mit grünem Klassenzimmer. 

Die Theaterebene ist die Fortsetzung des Multifunktionsraumes in den Freiraum. Hier findet der Austausch mit der Öffentlichkeit statt: bei Theatervorstellungen und Kunst im Skulpturengarten, auf der Mensaterrasse mit Blick über die Gärten. Die Sportebene erhält mit Basketball-, Kugelstoß-, Weitsprung und Volleyballanlage sowie Tischtennisplätzen neue Bewegungsangebote für den Sportunterricht. Durch die Anordnung in der unteren Ebene wird eine Störung der Blickbeziehungen durch bauliche Anlagen wie Netze und Körbe vermieden. Die Umfassungsmauern begrenzen die Sportanlagen ohne das zusätzliche Zäune notwendig werden. 

Im Gegensatz zur formellen Lindenallee entlang der Dahlmannstraße, fügen sich alle Neupflanzungen als gemischte Gehölzgruppen unterschiedlicher klimaangepasster Laubbäume in den Baumbestand auf dem Grundstück ein. Die vorhandenen Großbäume (Buchen, Linden und Götterbaum) werden erhalten und die neuen Baumgruppen rahmen die Blicke in die Gärten und die dahinter liegende Kuhweide. Auf der Hofebene wird im Grünen Klassenzimmer, den Rückzugsinseln und unter den Bäumen das Pflaster entsiegelt und durch Bepflanzung ersetzt. Die neuen Ebenen, werden bis auf die Basketballanlage und Theaterbühne vollkommen durchgrünt. Dort wo keine Rasenflächen notwendig sind (z.B. Sportanlagen) wird eine artenreiche Blühwiese angelegt, die den Bienen und anderen Bestäubern Lebensraum bietet.